Kinderbetreuung: Kein Anspruch auf günstige Schichten

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für viele Arbeitnehmer eine große Herausforderung. Diese Fragestellung wurde kürzlich vor dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern verhandelt, und das Urteil wirft ein Schlaglicht auf die rechtlichen und sozialen Aspekte dieser Thematik. Im Mittelpunkt stand die Forderung einer alleinerziehenden Mutter, nur noch zu bestimmten Zeiten arbeiten zu müssen, um ihrer Verantwortung gegenüber ihren Kindern gerecht zu werden. Doch das Gericht fällte eine Entscheidung, die nicht nur für die betroffene Arbeitnehmerin, sondern für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer interessant ist.
Der Fall: Die Wünsche einer alleinerziehenden Mutter in einer Bäckerei
Die Klägerin in diesem Fall war eine alleinerziehende Mutter, die in einer Bäckerei als Verkäuferin arbeitete. Nach der Geburt ihrer Zwillinge im Jahr 2020 befand sie sich in Elternzeit und später aufgrund von Krankheit arbeitsunfähig. Als sie im Dezember 2021 wieder zur Arbeit zurückkehrte, beantragte sie, ihre Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden pro Woche zu reduzieren. Zudem bat sie darum, nur an Werktagen von 7:40 Uhr bis 16:40 Uhr zu arbeiten und keine Samstagsarbeit mehr leisten zu müssen. Dies begründete sie damit, dass die Kindertagesstätte zu anderen Zeiten nicht geöffnet sei, und sie daher ihre Betreuungspflichten nicht erfüllen könne.
Der Arbeitgeber stimmte einer Arbeitszeitreduzierung zu, lehnte jedoch den Wunsch der Arbeitnehmerin ab, sie von der Früh- und Spätschicht sowie der Samstagsarbeit zu befreien. Die Begründung war, dass auch andere Mitarbeiterinnen im Betrieb kleine Kinder hatten und ähnliche Betreuungspflichten. Die alleinerziehende Mutter klagte gegen diese Entscheidung vor dem Amtsgericht Schwerin, aber ihr Anliegen wurde abgewiesen.
Das Urteil: Das Interesse der Arbeitnehmerin gegenüber dem Betriebskonzept
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern schloss sich der Auffassung des Amtsgerichts an und wies die Berufung der Arbeitnehmerin zurück. Das Gericht betonte, dass der Arbeitgeber bei der Schichtverteilung zwar die Kinderbetreuungspflichten der Arbeitnehmerin berücksichtigen muss, solange keine betrieblichen Gründe dagegenstehen (§ 8 Abs. 4 TzBfG).
Die Prüfung der betrieblichen Gründe erfolgte in drei Schritten:
1. Betriebliches Organisationskonzept: Das Gericht stellte fest, dass ein solches Organisationskonzept existierte, das die Öffnungszeiten, das Kundenaufkommen und das rollierende Schichtsystem der Bäckereifiliale umfasste.
2. Entgegenstehen des Arbeitszeitverlangens: Der Wunsch der Arbeitnehmerin, nur werktags von 7:40 Uhr bis 16:40 Uhr zu arbeiten, stand im Widerspruch zum Betriebskonzept der Bäckerei, das Schichtzeiten von 5:40 Uhr bis 19:00 Uhr sowie Samstagsarbeit vorsah.
3. Wesentliche Beeinträchtigung des Betriebskonzepts: Die Richter urteilten, dass die Umsetzung des Arbeitszeitverlangens eine wesentliche Beeinträchtigung des Betriebskonzepts darstellen würde. Dies würde andere Mitarbeiterinnen, die ebenfalls betreuungsbedürftige Kinder hatten, unverhältnismäßig belasten und gegenüber der alleinerziehenden Arbeitnehmerin benachteiligen.
Das Gericht wies darauf hin, dass der Arbeitgeber bei der Erstellung des Schichtplans die nachvollziehbaren persönlichen Umstände der Beschäftigten berücksichtigen muss. Dabei darf er sich jedoch nicht in die Privatsphäre der Mitarbeiterinnen einmischen und muss nicht die Details ihrer Familienverhältnisse prüfen. Dass einige Mitarbeiterinnen ihre Arbeitsverpflichtungen und familiären Aufgaben miteinander vereinbaren können, rechtfertigt nicht, andere Mitarbeiterinnen mit ungünstigen Schichten zu belasten und gegenüber alleinerziehenden Arbeitnehmerinnen zu benachteiligen.
Praktische Hinweise aus dem Urteil
Ein wichtiger Aspekt dieses Urteils ist die Mitbestimmung bei Schicht- und Dienstplänen (gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG). Beginn und Ende der Schichten sowie die Zuweisung von Mitarbeitern zu den Schichten sind damit betroffen. Gerade in Branchen, in denen viele Frauen in Teilzeit arbeiten, sollte die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hohe Priorität haben. Arbeitgeber sollten daher die persönlichen Umstände ihrer Mitarbeiter bei der Planung der Schichten berücksichtigen, soweit dies betrieblich vertretbar ist.
Dieses Urteil wirft ein Licht auf die Herausforderungen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und betont die Bedeutung einer ausgewogenen Lösung für alle betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Entscheidung unterstreicht, dass betriebliche Belange und die Bedürfnisse von Arbeitnehmern sorgfältig abgewogen werden müssen, um eine gerechte und ausgewogene Arbeitsumgebung zu schaffen.
Quelle
LAG Mecklenburg-Vorpommern (13.07.2023) Aktenzeichen 5 Sa 139/22