Konstituierende Sitzung eines Konzernbetriebsrats: Wer bestimmt die Tagesordnung?

Die Bedeutung der korrekten Einhaltung betriebsverfassungsrechtlicher Vorschriften und Prozesse wurde kürzlich durch ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (LAG) verdeutlicht. In diesem Fall ging es um die Frage, wer befugt ist, die Tagesordnung für die konstituierende Sitzung eines Konzernbetriebsrats festzulegen. Das Urteil bietet wichtige Erkenntnisse und Hinweise für die Praxis.
Hintergrund der Rechtsstreitigkeit
Die S-Gruppe, ein Unternehmen im Bereich Prozess- und Verpackungstechnik, bestand aus verschiedenen Betrieben, darunter W und C, sowie fünf Tochterunternehmen. Im Jahr 2019 wurde ein Gesamtbetriebsrat auf Konzernebene gegründet, nachdem die S-Gruppe mit der IG Metall einen Tarifvertrag abgeschlossen hatte. Im Anschluss kam es zu Meinungsverschiedenheiten über die Wirksamkeit des Tarifvertrags und des Gesamtbetriebsrats.
Am 28. April 2023 lud der Gesamtbetriebsrat zu einer erneuten konstituierenden Sitzung ein. In dieser Sitzung wählten die anwesenden Mitglieder einen neuen Vorsitzenden und beschlossen die Bildung eines Konzernbetriebsrats (KBR). Bei der konstituierenden Sitzung des KBR am 12. Mai 2023 wurde die Tagesordnung um Punkte erweitert, die wichtige Entscheidungen in Bezug auf das Zeiterfassungssystem ATOSS, die Anrufung einer Einigungsstelle und die Beauftragung eines Anwalts vorsahen.
Der KBR reichte beim Arbeitsgericht Stuttgart einen Antrag ein, in dem die Bestellung einer Einigungsstelle mit dem Ziel, eine Konzernbetriebsvereinbarung zur Einführung des Zeiterfassungssystems ATOSS abzuschließen, beantragt wurde. Das Arbeitsgericht wies den Antrag zurück, woraufhin der KBR Beschwerde beim LAG Baden-Württemberg einlegte.
Das Urteil des LAG Baden-Württemberg
Das LAG Baden-Württemberg entschied in diesem Fall, dass die Beschwerde des KBR nicht zulässig sei. Das Gericht argumentierte, dass eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung des Verfahrensbevollmächtigten des KBR zur Einleitung der Beschwerde voraussetzt, dass der Betriebsrat in einer regulären Sitzung mit entsprechender Tagesordnung einen Beschluss gefasst hat.
Das Gericht betonte, dass Beschlüsse zu inhaltlichen Fragen in "normalen" Betriebsratssitzungen und nicht in konstituierenden Sitzungen getroffen werden sollten. Die Einladung zur Sitzung des KBR am 12. Mai 2023 war an die Delegierten des früheren Gesamtbetriebsrats gerichtet, anstatt an den Gesamtbetriebsrat und die Betriebsräte als Gremium im Ganzen. Dies führte dazu, dass die Erweiterung der Tagesordnung in der Sitzung keine rechtliche Wirkung hatte.
Das Fazit und Praxishinweise
Das Urteil des LAG Baden-Württemberg unterstreicht die Bedeutung der ordnungsgemäßen Einhaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften und Prozesse. Es verdeutlicht, dass Beschlüsse zu inhaltlichen Themen besser in "normalen" Betriebsratssitzungen gefasst werden sollten, anstatt sie in konstituierenden Sitzungen zu ergänzen. Die Einladung zur Sitzung sollte zudem an das gesamte Gremium gerichtet werden, um rechtliche Klarheit zu schaffen.
In der betrieblichen Praxis ist es von großer Bedeutung, die Regeln und Verfahren des Betriebsverfassungsgesetzes genau zu beachten, um Streitigkeiten und rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden. Dieses Urteil dient als wichtige Erinnerung an die Bedeutung der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und der ordnungsgemäßen Durchführung von Betriebsratssitzungen. Unternehmen und Betriebsräte sollten daher sicherstellen, dass ihre betriebsverfassungsrechtlichen Prozesse und Beschlüsse stets im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften stehen.