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Mehrarbeit und Überstunden in den Griff bekommen


In vielen Betrieben fallen regelmäßig Überstunden oder Mehrarbeit an. Wie der Betriebsrat diesen Themenkomplex durch die Wahrnehmung seiner Rechte und Pflichten in den Griff bekommt, erfahrt Ihr von unseren Experten Maximilian Wetzel und Eva Ratzesberger in der »Arbeitsrecht im Betrieb« 4/2023.


Die Begriffe Überstunden und Mehrarbeit werden oft als Synonyme verwendet, allerdings handelt es sich rechtlich um zwei unterschiedliche Begriffe. Überstunden liegen dann vor, wenn die tatsächliche Arbeitszeit über die vereinbarte Arbeitszeit hinausgeht. Mehrarbeit bezeichnet hingegen die Überschreitung der gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz.

Grundsätzlich sind Mitarbeitende nicht verpflichtet, Überstunden oder Mehrarbeit zu leisten. Allerdings wird eine solche Pflicht oftmals in Arbeitsverträgen oder Tarifverträgen festgeschrieben. Solch eine Verpflichtung ist zulässig, allerdings nur bis zu einem gewissen Grad, ferner muss eine solche Regelung transparent für die Beschäftigten gestaltet sein.


Mitbestimmen nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG

Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Betriebsrat bei der Änderung der betriebsüblichen Arbeitszeit zwingend mitzubestimmen. Der Arbeitgeber darf also keine Überstunden oder Mehrarbeit anordnen, ohne dass der Betriebsrat seine Zustimmung erteilt hat oder diese durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist. Dass der Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei Überstunden und Mehrarbeit hat, ist mehr als sachgerecht: Überstunden führen auf Dauer zu Beeinträchtigungen der Arbeitnehmer, seien es Auswirkungen auf das Privatleben oder auf das Wohlbefinden. Aus diesem Grund hat auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) betont, dass die Arbeitszeiterfassung unmittelbar dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dient.

Unter betriebsüblicher Arbeitszeit ist hierbei nicht nur die einheitliche Arbeitszeit des ganzen Betriebs zu verstehen, sondern auch Arbeitszeiten einzelner Abteilungen oder Gruppen von Mitarbeitenden. Die betriebsüblichen Arbeitszeiten sind im Übrigen auch nicht für alle Beschäftigten gleich zu verstehen: Wenn Teilzeitkräfte über ihre vereinbarte Arbeitszeit hinaus herangezogen werden und damit Überstunden leisten, dann ist der Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG eröffnet, auch wenn die Arbeitszeit noch in die übliche Arbeitszeit der Vollzeitarbeitnehmenden fällt.

Ob überhaupt Überstunden vorliegen, hängt u. a. von dem im Betrieb angewendeten Arbeitszeitmodell ab: Besteht ein flexibles Arbeitszeitmodell mit einem Jahresarbeitszeitkonto, so können Überstunden erst dann vorliegen, wenn die Jahresarbeitszeit überschritten wurde. Die Mitbestimmung erstreckt sich auf das „ob“ und das „wie“ der Ableistung von Überstunden, d. h. wann wer wie in welchem Umfang Überstunden leisten soll. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich hierbei nicht nur auf die Frage, ob und wie der Arbeitgeber Überstunden anordnen kann, sondern auch darauf, ob und wie der Arbeitgeber Überstunden duldend entgegennehmen kann. Laut der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist hier eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. Ein wichtiges Indiz ist hierbei die Häufigkeit der Überstunden. Hat der Arbeitgeber Kenntnis von den Überstunden, dann spricht dies in aller Regel für ein Dulden.

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