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Wahlvorstandsmitglied hat Anspruch auf Weiterbeschäftigung


Für Wahlvorstandsmitglieder gilt der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Absatz 3 Kündigungsschutzgesetz, das Beschäftigungsverhältnis ist daher trotz fristloser Kündigung vorläufig aufrecht zu erhalten – so das LAG Berlin-Brandenburg.


Das war der Fall

Ein Fahrradkurier wehrte sich im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gegen die fristlose Kündigung seiner Arbeitgeberin. Im Betrieb der Arbeitgeberin fand Ende November 2021 eine Betriebsratswahl statt. Zuvor war ein Wahlvorstand gewählt worden, darunter auch der Kurierfahrer als Ersatzmitglied.

Am 1.10.2021 beteiligte sich der Kurierfahrer an einer von der Arbeitgeberin als illegaler Streik beurteilten Aktion und erschien am Abend desselben Tages nicht zu seiner Arbeit. Am 8.10.2021 fand eine Wahlvorstandssitzung statt. An dieser nahm der Kurierfahrer als Ersatzmitglied teil.

Die fristlose (mündliche) Kündigung der Arbeitgeberin erreichte den Kurierfahrer am Nachmittag des gleichen Tages.

Der Fahrradkurier verlangte daraufhin seine vorläufige Weiterbeschäftigung und berief sich auf den Sonderkündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 3 KSchG, da er zum Zeitpunkt der Kündigung sowohl Wahlbewerber als auch nachgerücktes Mitglied des Wahlvorstands gewesen war.


Das sagt das Gericht

Das Landesarbeitsgericht bestätigte den vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruch. Die außerordentliche Kündigung sei offensichtlich unwirksam. Der Fahrradkurier hatte glaubhaft dargelegt, dass er am 8.10.2021 nachgerücktes Wahlvorstandsmitglied war und an der Versammlung teilgenommen hatte, sodass in diesem Zeitraum der besondere Kündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 3 KSchG bestanden hatte. Die Kündigungserklärung der Arbeitgeberin erfolgte erst am 8.10.2021 und somit im Zeitraum des Sonderkündigungsschutzes. Die nach § 103 Abs. 2a BetrVG erforderliche Zustimmung war nicht gerichtlich ersetzt worden.

Ohne den Erlass der einstweiligen Verfügung drohte der Anspruch des Kurierfahrers auf Beschäftigung mit jedem Tag endgültig unterzugehen. Es bestand daher ein gesteigertes Beschäftigungsinteresse des Kurierfahrers, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass dieser als Betriebsratsmitglied gewählt worden war. Für die Tätigkeit als Betriebsratsmitglied ist eine regelmäßige Präsenz im Betrieb nachvollziehbar und vorrangig vor der nur gelegentlichen Anwesenheit im Betrieb zur Erledigung der Betriebsratsarbeit. Das Beschäftigungsinteresse des Kurierfahrers bei der Arbeitgeberin wurde daher durch seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten als Betriebsratsmitglied verstärkt. Ein berechtigtes Interesse der Arbeitgeberin an der Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes war nicht ersichtlich. Die Entscheidung ist rechtskräftig.


Das muss der Betriebsrat wissen

Der besondere Kündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 3 KSchG gilt für Ersatzmitglieder, solange sie ein verhindertes ordentliches oder vorrangig nachgerücktes Mitglied vertreten. Die außerordentliche Kündigung bedarf sodann der Zustimmung des Betriebsrats. Besteht kein Betriebsrat, muss die Zustimmung auf Antrag des Arbeitgebers gem. § 103 Abs. 2a BetrVG gerichtlich ersetzt werden. Erfolgt dies nicht, ist die Kündigung unwirksam.

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